Der Zusammenprall von zwei Welten: Comedy im Improvisationstheater

„Aber Impro ist doch eigentlich sowieso fast immer komisch…“ Warum muss man dann darüber reflektieren oder es gar bewusst „lernen“ wollen? Die Antwort ist für mich ganz klar: Weil Komik auf viele verschiedene Arten erzeugt werden und verschiedene Qualitäten haben kann.

Es gibt die Art der Komik, die keine zweite Ebene öffnet: Klamauk.
Es gibt den Gag, also eine Art Punchline zu etwas Etabliertem.

Beide können nützlich sein, aber führen uns im improvisierten Theater meiner Meinung nach schnell in Sackgassen.

Darüber hinaus gibt es auch ein paar Grundprinzipien der Komik, die mehrere Spielwiesen eröffnen und die wir als Handwerkszeug beherrschen können, um zwischen Dramatik und Komik changieren zu können. Meisterhaft eingesetzt können diese im besten Fall dazu führen, dass das Publikum zwischen Lachen und Weinen hin- und hergerissen ist.

Eines meiner liebsten Comedy-Prinzipien ist der „kontextuelle Zusammenprall“, das heißt: zwei Welten (die nichts miteinander zu tun haben) prallen aufeinander. Hier liegt übrigens auch der Grund, warum Impro-Games fast immer komisch sind. Denn die Realität der Figur und der Szene steht immer wieder im Konflikt mit der Realität des Games. Verleiht zum Beispiel der Impro-Spieler des Bauern der Kontrolleurin aus dem Gesundheitsministerium seine Stimme und ist durch den Verlauf der Story gezwungen, die eigene Figur zu beschimpfen, dann finden wir das lustig. Gleiches passiert, wenn etwa eine Expertin behauptet, sich perfekt im Golfspiel auszukennen, aber die Spielerin (der Expertin) noch nicht mal weiß, in welcher Sportart sie überhaupt Expertise beweisen soll. Auch hier prallen zwei Welten aufeinander. Der SCHMERZ der Spielerin (etwas behaupten zu müssen und es nicht zu wissen), die WAHRHEIT der Situation (Wir erkennen uns in einer solchen Situation wider.) und die MITLEIDERSPARNIS (Sie meistert die Situation mit Spielfreude und Mut zum Scheitern.) sorgen für alle Grundbestandteile, die es im Bereich der Komik geben muss, um uns zum Lachen zu bringen.

Aber braucht es immer eine Struktur oder ein Game als zweiten Kontext?
Natürlich nicht. Wenn man sich einige der wirklich gut geschriebenen Comedy-Serien anschaut, findet man das Prinzip des konzeptuellen Zusammenpralls überall: Ross von „Friends“ versucht, sich bei Chandler zu entschuldigen, weil er dessen Mutter geküsst hat und nebenbei für die Umgebung den Eindruck zu erhalten, das Ganze handele sich um ein Probe für eine griechische Tragödie. (1) Im improvisierten Theater können wir ebenfalls zwei Kontexte in unserer Szene aufeinander treffen lassen: Ein Meteorologe streitet sich kurz vor der Präsentation des aktuellen Wetters mit seiner Freundin und versucht dann, sich während der Wetteransage gleichzeitig bei ihr zu entschuldigen. Ein Paar streitet sich beim Frühstück darüber, dass die Ehefrau nie Gäste zu Hause haben will und als die Zeugen Jehovas klingeln ist sie dann übergastfreundlich, um ihrem Mann das Gegenteil zu beweisen.

Also in aller Kürze: In der Überschneidung der beiden Welten liegt hier die Comedy. Dafür muss beides gleichzeitig wahr sein können. Das heißt, wir müssen als Publikum nachvollziehen können, wie es dazu kommt und an beide Realitäten glauben können (Wahrheit). Die Situation darf nicht trivial sein, sondern muss eine der Figuren in Bedrängnis bringen (Schmerz), jedoch auf eine Art, die uns erspart, mit der Person Mitleid zu empfinden (Mitleidersparnis), damit wir über sie herzhaft lachen können.

Nadine Antler, August 2024

(1) Friends. Season 1, Episode 11, ca. 16:30 Min

Related Posts

Leave a Reply